Immer mehr fragwürdige Produkte für Menschen mit Diabetes werden über soziale Medien vertrieben – oft unter Missbrauch seriöser Logos und Namen. Diabetes-Fachverbände warnen: Hinter den Angeboten steckt Betrug mit potenziell gravierenden Folgen.

Irreführende Gesundheitsversprechen, gefälschte Logos und frei erfundene Testimonials: Immer häufiger werden Menschen mit Diabetes über soziale Medien mit unseriösen Produkten konfrontiert. Aktuell warnen die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, der Bundesverband Niedergelassener Diabetologen (BVND) und der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD) in einer gemeinsamen Stellungnahme vor dieser Entwicklung.

Zunehmender Missbrauch von Logos und Institutionen

Insebsondere auf Social-Media-Kanälen wie Facebook, Instagram und TikTok erreichen Anbieter fragwürdiger „Lösungen“ wie Mikronadelpflaster, angeblich „natürliche GLP-1-Präparate“ oder nichtinvasive Messgeräte ihre Zielgruppen. Dabei wird gezielt das Vertrauen in etablierte Institutionen missbraucht: Logos, Fotos oder vermeintliche Zitate von Fachvertreterinnen und -vertretern, etwa aus DDG oder Deutschem Zentrum für Diabetesforschung (DZD), werden manipuliert und in irreführende Kontexte gestellt. Einige Webseiten treten gar mit der Anmutung offizieller Institutionen auf – ein klarer Täuschungsversuch.

„Wir stellen mit großer Sorge fest, dass die sozialen Medien immer stärker zu einem rechtsfreien Raum für gesundheitsgefährdende Desinformation werden“, warnt Prof. Dr. Julia Szendrödi, Präsidentin der DDG. „Als medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft verkaufen oder empfehlen wir keine Produkte. Unser Auftrag ist die unabhängige, evidenzbasierte Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie die Entwicklung medizinischer Leitlinien.“

Die DDG meldet fortlaufend Anzeigen mit missbräuchlicher Logo-Nutzung oder falschen Heilsversprechen an Plattformbetreiber wie Meta, dem Mutterunternehmen von Facebbok und Instagram. In zahlreichen Fällen konnten Inhalte auf diese Weise gelöscht werden. Dennoch bleibe das Problem massiv: „Auch wenn wir der Flut nicht vollständig Herr werden, handeln wir konsequent und beziehen eindeutig Stellung – für den Schutz von Patientinnen und Patienten“, so Prof. Dr. Szendrödi.

Hinweise der Fachverbände: So erkennt man unseriöse Gesundheitswerbung

  • Wundermittel sind Warnzeichen Seien Sie misstrauisch bei Produkten, die eine schnelle, einfache Heilung oder Wirkung ohne Nebenwirkungen versprechen – insbesondere bei angeblich „natürlichen“ Alternativen oder neuen Methoden wie Mikronadelpflastern.

  • Vertrauen Sie nur offiziellen Quellen Medizinische Fachgesellschaften wie die DDG oder diabetesDE empfehlen oder verkaufen keine Produkte. Prüfen Sie Logos, Expertenzitate und Webauftritte kritisch.

  • Achten Sie auf Impressum und Rücksendeadresse Seriöse Anbieter haben ein vollständiges Impressum, klare Kontaktmöglichkeiten und erlauben Rücksendungen. Fehlt das, sollten Sie vom Kauf absehen.

  • Fragen Sie vor dem Kauf Ihr Behandlungsteam Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin, Ihrem Arzt oder Ihrer Diabetesberatung, bevor Sie Produkte aus dem Internet bestellen – vor allem bei unbekannten oder auffällig beworbenen Angeboten

Massive Irreführung von Betroffenen

Besonders problematisch: Betroffene berichten über ausbleibende Lieferungen oder minderwertige Produkte, beispielsweise Pulsoximeter ohne diabetologischen Nutzen. Da die Anbieter anonym und häufig aus dem Ausland operieren, fehlen Impressum oder Rücksendeadresse – Reklamation oder Rückerstattung sind kaum möglich.

„Wir erleben derzeit eine Welle von Fake-Angeboten, die auf die Verunsicherung chronisch kranker Menschen zielt – und das in einer Art und Weise, die hochgradig verantwortungslos ist“, erklärt Dr. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE. „Die öffentliche Hand scheint dieser Entwicklung kaum etwas entgegenzusetzen. Deshalb braucht es umso mehr Aufklärung.“

Auswirkungen in Versorgung und Beratung

Auch in diabetologischen Praxen zeigt sich die Problematik deutlich: „Patientinnen und Patienten wenden sich immer häufiger mit Fragen zu Produkten, die sie online gesehen oder sogar bestellt haben, an ihre Ärztinnen und Ärzte“, berichtet Toralf Schwarz, Vorsitzender des BVND und Facharzt für Innere Medizin und Diabetologie. „Wir investieren dadurch viel Zeit darin, Fehlinformationen zu korrigieren, statt uns um die gesundheitlichen Belange der Patientinnen und Patienten kümmern zu können.“

Auf der Website der DDG steht ein Infoblatt im PDF-Format fürs Wartezimmer zum Download zur Verfügung.

Darüber hinaus verstärkt sich auch der Beratungsbedarf im therapeutischen Setting. „Diabetesberaterinnen und -berater erleben täglich, wie schnell sich solche Inhalte verbreiten. Umso wichtiger ist es, Patientinnen und Patienten zu stärken, solche Angebote zu hinterfragen – bevor sie Geld ausgeben oder ihre Gesundheit riskieren“, ergänzt Kathrin Boehm, Vorsitzende des VDBD.


von Redaktion diabetologie-online
mit mit Materialien der DDG, des BVND, des VDBD und von diabetesDE