Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) fordert im Rahmen der Krankenhausreform verbindliche Mindeststandards für Fachpersonal und Weiterbildung, um die Versorgung von Millionen Menschen mit Diabetes in Kliniken zu sichern.
Bei der Verbände-Anhörung zum Krankenhausanpassungsgesetz (KHAG) im Bundesgesundheitsministerium am 21. August 2025 hat die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ihre Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung diabetologischer Expertise in allen Leistungsgruppen erneuert. Hintergrund: Jeder fünfte Krankenhauspatient weist einen Diabetes als Begleiterkrankung auf – eine fachgerechte Betreuung während des stationären Aufenthalts ist entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden und Behandlungserfolge zu sichern, betont die Fachgesellschaft.
Qualifizierte Fachkräfte als Schlüsselressource
Nach Einschätzung der DDG ist das spezialisierte Wissen von Ärztinnen, Ärzten und Gesundheitsfachkräften mit diabetologischer Zusatzqualifikation unabdingbar. Auch in Leistungsgruppen außerhalb der Inneren Medizin müssten Diabetologie und Endokrinologie verbindlich als Kooperationspartner berücksichtigt werden.
Rund drei Millionen stationär behandelte Diabetespatientinnen und -patienten sind jährlich auf qualifizierte Strukturen angewiesen. Ein zentraler Punkt der DDG-Forderungen betrifft daher die Qualifikation des Fachpersonals. „Die Zusatzweiterbildung Diabetologie der Ärztekammern wie auch die der DDG muss in den Leistungsgruppen ‚Allgemeine Innere Medizin‘ und ‚Komplexe Endokrinologie/Diabetologie‘ verbindlich anerkannt werden“, erklärt DDG-Präsidentin Professorin Dr. Julia Szendrödi aus Heidelberg.
„Reale Bedrohung für die Diabetes-Versorgung“
Aktuell kümmern sich bundesweit rund 4.300 Internistinnen und Internisten mit Zusatzweiterbildung Diabetologie um stationäre Diabetespatienten. Dem stehen lediglich 300 Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie gegenüber – etwa die Hälfte von ihnen arbeitet ambulant. „Werden ausschließlich nur die Kolleginnen und Kollegen mit diesem Facharzttitel für die Leistungsgruppe ‚Komplexe Endokrinologie/Diabetologie‘ berücksichtigt, stellt dies eine reale Bedrohung für die Versorgung der Diabetespatientinnen und -patienten sowie die ärztliche Weiterbildung dar“, warnt Professor Dr. med. Andreas Fritsche, Past-Präsident der DDG.
Er ergänzt: „Wir fordern daher dringend, die bestehenden Zusatzweiterbildungen Diabetologie für die Leistungsgruppen anzuerkennen. Es wäre fahrlässig, die unverzichtbare Expertise der Internistinnen und Internisten mit Zusatzweiterbildung nicht zu nutzen. Denn darüber hinaus würden dann Personalressourcen fehlen, um junge Kolleginnen und Kollegen sowie andere Gesundheitsberufe ausreichend auszubilden.“
Szendrödi sieht ebenfalls gravierende Folgen: „Die Forderung, ausschließlich Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin und Endokrinologie/Diabetologie als Strukturvoraussetzung für die Leistungsgruppe ‚Komplexe Endokrinologie/Diabetologie‘ anzuerkennen, würde auch dazu führen, dass zahlreiche Kliniken die Kriterien für eine Einstufung in diese höhere Leistungsgruppe nicht mehr erfüllen und automatisch in die niedrigere Leistungsgruppe zurückfielen. Dies hätte einen Abbau bestehender Versorgungsstrukturen zur Folge, anstatt diese zu stärken und eine flächendeckende, qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten.“
Diabetes-Expertise unverzichtbar – Kooperationen sichern Versorgung im ländlichen Raum
Zusätzlich fordert die DDG, dass mindestens eine Gesundheitsfachkraft mit diabetologischer Weiterbildung – etwa eine Diabetesberaterin DDG oder eine entsprechend qualifizierte Pflegefachkraft – verpflichtend in die Strukturen integriert wird. Derzeit arbeiten bundesweit 6.188 Diabetesberaterinnen und -berater DDG, 9.175 Diabetesassistentinnen und -assistenten DDG sowie 4.090 Fuß- und Wundassistentinnen und -assistenten DDG. „All diese Fachkräfte beraten täglich Betroffene und deren Angehörige in lebenswichtigen Fragen wie Blutzuckerkontrolle oder Insulinanwendung und leisten damit einen wichtigen Beitrag“, betont Fritsche. Studien belegen, dass ihre Einbindung Komplikationen reduziert und die Stoffwechselkontrolle verbessert.
Da rund 20 Prozent der stationären Patientinnen und Patienten an Diabetes leiden, ist die Einbindung diabetologischer Expertise in vielen Fachrichtungen unerlässlich. „Das zeigt, wie wichtig es ist, diabetologische Expertise in weiteren Leistungsgruppen fest zu verankern – von der Kardiologie über die Chirurgie und die Geriatrie bis hin zur Transplantationsmedizin“, erklärt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Mediensprecher der DDG.
Wo die eigene Fachkompetenz fehlt, könnten Kooperationsverträge mit niedergelassenen diabetologischen Schwerpunktpraxen Abhilfe schaffen. „Eine verbindliche Zusammenarbeit an dieser Schnittstelle kann Komplikationen verhindern, das Behandlungsergebnis entscheidend positiv beeinflussen und so die Patientensicherheit erhöhen. Außerdem unterstützt sie eine moderne und auch sektorübergreifende Versorgung“, so Gallwitz. Besonders für kleinere Häuser im ländlichen Raum seien solche Modelle essenziell.
Weiterbildung als Zukunftssicherung und offene Fragen im Reformprozess
Zentral bleibt für die DDG die Finanzierung der Weiterbildung. „Wir können den ärztlichen Nachwuchs nur dann für die Diabetologie gewinnen, wenn die Weiterbildung strukturell in den Leistungsgruppen verankert und finanziell abgesichert ist“, so Szendrödi. Vorhaltepauschalen müssten dabei auch Beratungsleistungen und sprechende Medizin abbilden.
Trotz intensiver Diskussionen bleiben nach der Anhörung wesentliche Punkte ungelöst. So kritisiert die DDG die fehlende evidenzbasierte Grundlage für die Berechnung der Vorhaltevergütung im Referentenentwurf des BMG. „Für viele Bereiche werden nicht-repräsentative Zahlen als Basis genommen, wodurch qualifizierten Zentren möglicherweise eine schlechtere finanzielle Stellung als zuvor droht. Damit droht eine Qualitätsverschlechterung, die die Intention der Krankenhausreform konterkarieren würde“, mahnt Gallwitz. Zudem bilden die neuen Leistungsgruppen die bisherigen Fallpauschalen noch nicht adäquat ab, wodurch Fehlzuordnungen von Patienten drohten.
DDG will Reformprozess konstruktiv begleiten
Die Fachgesellschaft bewertet die Gespräche dennoch als wichtigen Schritt. „Wir sind zuversichtlich, dass in wichtigen Punkten Lösungen gefunden werden und haben positive Signale erhalten, dass die gut ausgebildeten Fachkräfte in der Diabetologie in der Reform mitgedacht werden“, so Gallwitz.
Präsidentin Szendrödi zieht ein klares Fazit: „Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass das Wohl aller Patientinnen und Patienten und vor allem der Menschen mit Diabetes bei allen Reformschritten im Mittelpunkt steht.“
von Redaktion diabetologie-online
mit Materialien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)
