Kinder von Eltern mit Typ-1-Diabetes haben ein höheres Risiko ebenfalls an Typ-1-Diabetes zu erkranken. Dabei ist das Risiko nicht gleich verteilt: Das Kind einer Mutter mit Typ-1-Diabetes hat ein geringeres Risiko ebenfalls zu erkranken als das Kind eines Vaters mit Typ-1-Diabetes. Forschende untersuchen, welche molekularbiologischen Mechanismen hinter diesem Phänomen stecken könnten.
Aktuelle Studien fokussieren sich auf die Zusammenhänge zwischen dem maternalen Diabetes während der Schwangerschaft, (epi-)genetischen Faktoren und der Entstehung von Autoimmunität. Die Forschungsergebnisse liefern neue Erkenntnisse zur Krankheitsentstehung und verdeutlichen die potenzielle Rolle des mütterlichen Stoffwechsels
Risiko für Typ-1-Diabetes doppelt so hoch, wenn der Vater betroffen ist
Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört werden. Die Ursachen der zugrunde liegenden Autoimmunreaktion sind noch nicht vollständig bekannt, doch Forschende konnten bereits einige Faktoren identifizieren, die mit der Entstehung von Inselautoantikörpern in Verbindung stehen. Eine genetische Prädisposition erhöht das Risiko zu erkranken deutlich. Zudem werden Interaktionen mit bestimmten Umweltfaktoren als Initiator des Autoimmunprozesses vermutet. Im Vergleich zu Personen ohne familiäre Vorbelastung ist das Risiko, Typ-1-Diabetes zu entwickeln um 8- bis 15-fach erhöht, wenn ein Verwandter ersten Grades ebenfalls Typ-1-Diabetes hat. Dieses Risiko fällt jedoch unterschiedlich aus, je nachdem, ob die Mutter, der Vater oder eines der Geschwister betroffen ist. Bereits vor mehr als 40 Jahren wurde ein ca. 4-fach erhöhtes Risiko für Typ-1-Diabetes bei Kindern beschrieben, deren Vater Typ-1-Diabetes hatte, verglichen mit einer betroffenen Mutter [1]. Dieses Ergebnis wurde inzwischen durch mehrere Studien in unterschiedlichen Ländern bestätigt [2, 3].
Die Genetik allein scheint das Phänomen nicht zu erklären
Die BABYDIAB-Studie ist eine der größten prospektiven Studien die Kinder von Eltern mit Typ-1-Diabetes auf die Entstehung von Inselzellautoimmunität untersucht. Seit 1989 beobachtet die Studie 1650 Kinder von Eltern mit Typ-1-Diabetes über einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren nach der Geburt. Dabei zeigte sich, dass Kinder von Müttern mit Typ-1-Diabetes seltener Autoantikörper gegen Inselzellantigene entwickelten als Kinder betroffener Väter, insbesondere in den ersten beiden Lebensjahren [4]. Dieser Unterschied wurde später auch in der großen internationalen TEDDY-Studie bestätigt. Demnach hatten Kinder von betroffenen Müttern ein geringeres Risiko, Inselzellautoantikörper zu entwickeln, trotz ähnlichen genetischen Voraussetzungen wie Kinder mit betroffenen Vätern [5]. Dies galt insbesondere für die Entwicklung von Insulin-Autoantikörpern in den ersten beiden Lebensjahren.
Genetische Risikofaktoren für Typ-1-Diabetes – wie zum Beispiel bestimmte HLA-Merkmale – können von beiden Elternteilen gleichermaßen weitergegeben werden. Das unterschiedliche Risiko für Typ-1-Diabetes zwischen Kindern von betroffenen Müttern und Vätern lässt sich also nicht allein durch die unterschiedliche Vererbung einer Veranlagung erklären. Untersuchungen aus Finnland konnten zeigen, dass das Risiko der Kinder an Typ-1-Diabetes zu erkranken nur dann niedriger war, wenn die Mutter den Typ-1-Diabetes vor der Schwangerschaft entwickelt hatte. Hatte die Mutter den Typ-1-Diabetes hingegen erst nach der Schwangerschaft entwickelt, war das Risiko für das Kind vergleichbar mit dem eines Kindes dessen Vater Typ-1-Diabetes hat [6]. Vor diesem Hintergrund vermuten Forschende vermehrt nicht-genetische Faktoren als Erklärung für die erhöhte Inzidenz von Typ-1-Diabetes bei Kindern von betroffenen Vätern im Vergleich zu Müttern. Dies umfasst immunologische, metabolische oder umwelt-assoziierte Faktoren. Bisherige Studien deuten darauf hin, dass insbesondere mütterliche Faktoren während der Schwangerschaft eine gewisse Protektion gegenüber der Entstehung des Typ-1-Diabetes beim Kind vermitteln.
Was könnte während der Schwangerschaft entscheidend sein?
Forschende diskutieren verschiedene Mechanismen im Mutterleib einer Mutter mit Typ-1-Diabetes, die Einfluss auf das Risiko des Kindes nehmen könnten. Wenn eine Frau Typ-1-Diabetes hat, wächst das Kind in einer veränderten Umgebung auf. So sind Kinder im Mutterleib einer Mutter mit Typ-1-Diabetes zum Beispiel häufiger einer intrauterinen Hyperglykämie ausgesetzt. Dies begünstigt potentiell eine schnellere Reifung der Insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse, ein möglicherweise schützender Faktor [7].
Weil die Entwicklung des kindlichen Immunsystems bereits im Mutterleib beginnt, ist auch die Übertragung von mütterlichen Antikörpern oder Immunstimuli über die Nabelschnur relevant. Da frühkindliche Virusinfektionen als Risikofaktor für Typ-1-Diabetes gelten, könnten beispielsweise auch virusassoziierte Antikörper, die von der Mutter auf das Kind übertragen werden, eine Schutzwirkung für das Kind haben. Aus Untersuchungen bei Mäusen ist bereits bekannt, dass eine mütterliche Enterovirus-Infektion, die zur Übertragung maternaler Antikörper über die Plazenta führt, mit einem verringerten Diabetes-Risiko des Nachwuchses einhergeht [8].
Auch die frühzeitige Konfrontation des kindlichen Immunsystems mit maternalen Inselautoantikörpern könnte möglicherweise eine Schutzwirkung hervorrufen [9]. Diese Exposition könnte das Immunsystem des Kindes trainieren und späteren Autoimmunreaktionen entgegenwirken. So zeigte beispielsweise eine Analyse der Immunantwort von Kindern von Müttern mit Typ-1-Diabetes signifikante Unterschiede verglichen mit Kindern, deren Vater oder Geschwister an Typ-1-Diabetes erkrankt sind. Die Kinder von Müttern mit Typ-1-Diabetes zeigten hier im Alter von 9 Monaten eine reduzierte CD4+-T-Zell-Antwort auf Proinsulin und Insulin im Nabelschnurblut, ein vermindertes entzündliches Profil ihrer proinsulin-reaktiven CD4+-T-Zellen sowie eine verbesserte Regulation der CD4+-T-Zell-Antworten auf Proinsulin [10]. In dieser Kohorte wurden zudem Unterschiede im Methylierungsmuster bestimmter Typ-1-Diabetes assoziierter Gene beobachtet, die das Typ-1-Diabetes Risiko beeinflussen könnten [10].
Epigenetische Einflüsse durch Typ-1-Diabetes in der Schwangerschaft
Bereits im Mutterleib können Umwelteinflüsse einen weitreichenden Effekt auf die Gesundheit des Kindes haben. Epigenetische Mechanismen, insbesondere die Methylierung der DNA, spielen hierbei eine wichtige Rolle. Die Epigenetik bestimmt, welche der vorhandenen Gene auf der DNA letztendlich abgelesen und dadurch ausgeprägt werden. So können also bestimmte Umwelteinflüsse Gene ein- oder ausschalten. Beispielsweise können der Lebensstil der Mutter oder auch gesundheitliche Faktoren während der Schwangerschaft das Methylierungsmuster der DNA des ungeborenen Kindes verändern und damit die Entwicklung bestimmter Eigenschaften später im Leben beeinflussen. Schon seit längerem ist bekannt, dass Rauchen während der Schwangerschaft zu epigentischen Veränderungen der DNA des Kindes führt. Auch die Ernährung während der Schwangerschaft kann Einfluss auf das Methylierungsmuster des Kindes nehmen. Bestimmte Umweltbedingungen im Mutterleib einer Mutter mit Typ-1-Diabetes könnten also durch epigenetische Veränderungen ebenfalls Einfluss auf die spätere Gesundheit des noch ungeborenen Kindes nehmen. In einer Studie mit geringer Fallzahl wurde gezeigt, dass sich bestimmte epigenetische Muster bei jugendlichen Kindern von Müttern mit Typ-1-Diabetes von denen anderer Kinder unterschieden [11]. Diese Veränderungen betreffen unter anderem Gene, die an der Immunregulation beteiligt sind.
Auch mütterliche Blutzuckerspiegel könnten die epigenetische Ausprägung beim Kind beeinflussen. So wurde der Blutzuckerspiegel in der Schwangerschaft bereits mit epigenetischen Veränderungen im Erbgut des Kindes in Verbindung gebracht, die möglicherweise über die frühkindliche Phase hinaus bestehen [11-13]. Die BABYDIAB Kohorte zeigte, dass ein moderat erhöhter HbA1c-Wert der Mutter im dritten Trimester (5,7–7,0 %) mit einem reduzierten Risiko für Inselautoimmunität bei den Kindern einhergeht, verglichen mit einem normalen HbA1c unter 5,7 %. Lag der HbA1c hingegen über 7,0 %, war das Risiko für Inselautoimmunität bei den Kindern signifikant erhöht [4]. Eine detaillierte Untersuchung der unterschiedlichen Blutzuckerprofile in der Schwangerschaft von Müttern mit Typ-1-Diabetes und deren Einfluss auf das frühkindliche Epigenom steht bislang noch aus.
Ein aktuelles Forschungsprojekt des Instituts für Diabetesforschung von Helmholtz Munich beschäftigt sich mit dem Einfluss eines maternalen Typ-1-Diabetes auf das Epigenom des Kindes. Hierfür untersuchten die Forschenden bei 1752 Kindern der BABYDIAB, BABYDIÄT und POInT Kohorten im Alter von ca. 2 Jahren, ob sie Unterschiede in ihrem DNA Methylierungsmuster aufweisen, die mit dem mütterlichen Diabetes zusammenhängen. Die Forschenden erhoffen sich Muster im Epigenom zu finden, und herauszufinden, ob diese zum Beispiel die Regulation immunologischer Prozesse beeinflussen.
Zukünftige Forschung könnte helfen, neue Präventionsmöglichkeiten zu entdecken
Die Beobachtungen, dass ein Kind von einer Mutter mit Typ-1-Diabetes relativ vor der Entwicklung eines Typ-1-Diabetes geschützt ist, eröffnet eine einzigartige Möglichkeit Faktoren und Mechanismen zu entdecken, die zur Krankheitsentstehung des Typ-1-Diabetes beitragen. Einblicke in die frühkindliche Epigenetik und deren Einfluss auf immunologische Prozesse haben bisher wenig Beachtung gefunden, könnten aber wichtige Erkenntnisse über den Schutzprozess hervorbringen. Weitere Forschung ist notwendig um die Prozesse, die im Mutterleib mit Typ-1-Diabetes ablaufen, genauer aufzuklären. Ein besseres Verständnis dieser Schutzfaktoren könnte in Zukunft dazu beitragen, Präventionsmöglichkeiten für Typ-1-Diabetes zu entwickeln, die insbesondere Kinder mit einem erhöhten genetischen Risiko vor der Bildung von Inselautoantikörpern schützen könnten. Auch diejenigen, die keine Mutter mit Typ-1-Diabetes haben.
Literatur über die Redaktion
- Prädiabetes-Remission: neue Strategien
- Adipositas und Typ-2-Diabetes: Prävention im Fokus
- Einflussreich: mütterlicher Schutzfaktor
- Diabetes und Schwangerschaft: neuer Podcast
|
|
|
|
Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (4) Seite 17-19
