Studien des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) e. V. und seiner Partner zeigen: Prädiabetes ist mehr als "nur" eine Vorstufe des Typ-2-Diabetes, die irgendwann in der Erkrankung mündet. Erfolgreiche Interventionen bieten die Chance, Blutzuckerwerte wieder in den Normalbereich zu bringen und zu verhindern, dass sich Diabetes manifestiert. Auf diese Weise sinkt auch das Risiko für weitere Folgeerkrankungen.
Jeder 5. Erwachsene in Deutschland hat Prädiabetes (Diabetes surveillance - Ergebnisse - Prädiabetes). Die Blutzuckerwerte liegen oberhalb des Normbereichs, aber noch unter der Grenze zum manifesten Typ-2-Diabetes. In den Jahren nach der Prädiabetes-Diagnose entwickelt etwa jeder Zweite Typ-2-Diabetes, falls keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Gleichzeitig steigt durch Prädiabetes das Risiko für Folgeerkrankungen. Genau hier setzt das DZD mit Forschungsprojekten an. Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es, neue, wirksame Strategien der Diabetes-Prävention zu entwickeln. Der Fokus liegt unter anderem auf Prädiabetes.
Unterschiedliche Risikolagen
Ein Blick auf die Details: Im Prädiabetes-Stadium ist das Risiko für Typ-2-Diabetes und für kardiovaskuläre Erkrankungen signifikant erhöht. Analysen zeigen, dass jeder Anstieg der Nüchtern-Glukose um 1 mmol/l das Risiko für Herzinfarkt und andere kardiovaskuläre Ereignisse um rund 26 % steigert – selbst bei Menschen, die später keinen manifesten Diabetes entwickeln [2].
Basierend auf Daten der Tübinger Diabetes-Familienstudie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sechs Subtypen von Menschen identifiziert, die sich hinsichtlich des Risikos für Typ-2-Diabetes und für Folgeerkrankungen teils stark unterscheiden [3].
Typisch für die Cluster 1, 2 und 4 war ein niedriges Risiko, später Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Personen der Cluster 1 und 2 waren gesund. In Cluster 4 befanden sich übergewichtige Menschen mit relativ normalem Stoffwechsel. Zu den Cluster 3, 5 und 6 gehören Menschen mit erhöhtem Risiko für Typ-2-Diabetes und für Folgeerkrankungen. Zur Einordnung zogen die Forschenden Parameter heran, die Teil der klinischen Routinediagnostik sind. Die frühzeitige Zuordnung von Patientinnen und Patienten zu diesen Subtypen erlaubt eine präzisere Vorhersage und maßgeschneiderte Interventionen.
Die Autoren betonen, wie wichtig Maßnahmen der Prävention bei Hochrisikopatienten seien: durch differenzierte Diagnostik, Subtypisierung und individualisierte Interventionen.
Gewichtsreduktion plus Remission von Prädiabetes
Wie gelingt eine Remission bei Prädiabetes in der Praxis? Um dieser Frage nachzugehen, analysierte das DZD in einer Post-hoc-Auswertung der Prediabetes Lifestyle Intervention Study (PLIS) die zugrunde liegenden Mechanismen einer Remission bei Prädiabetes. An der Studie nahmen 1 105 Personen mit Prädiabetes teil, die über ein Jahr hinweg eine Lebensstilintervention mit gesunder Ernährung und gesteigerter körperlicher Aktivität durchführten. [4, 5]
- Nüchternplasmaglukose (NPG): 100 -125 mg/dl (5,6 - 6,9 mmol/l)
- Zwei-Stunden-Plasmaglukose im oralen Glukosetoleranztest (oGTT): 140 -199 mg/dl (7,8 -11,0 mmol/l)
- HbA1c: 5,7 - 6,4 Prozent
- Nüchternplasmaglukose < 100 mg/dl (< 5,6 mmol/l)
- Zwei-Stunden-Plasmaglukose im oGTT < 140 mg/dl (< 7,8 mmol/l)
- HbA1c < 5,7 Prozent
Im Fokus der Analyse standen 298 Teilnehmende, die mindestens 5 % ihres Körpergewichts verloren hatten. Als Responder galten jene, bei denen sich innerhalb von zwölf Monaten Nüchternblutzucker, 2-Stunden-Glukose und HbA1c-Wert normalisierten – ein Hinweis auf eine Remission des Prädiabetes. Non-Responder hingegen zeigten trotz Gewichtsverlust weiterhin prädiabetische Stoffwechselwerte.
Interessanterweise war der reine Gewichtsverlust nicht ausschlaggebend für die Remission. Entscheidend war vielmehr, dass die Responder im Vergleich zu den Non-Respondern deutlich mehr viszerales Bauchfett abbauten. Zudem verbesserten sie ihre Insulinsensitivität stärker, während die Insulinausschüttung in beiden Gruppen unverändert blieb.
Bemerkenswert ist auch der Langzeiteffekt: Zwei Jahre nach Abschluss der Intervention hatten die Responder ein um 73 % reduziertes Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken.
Weniger viszerales Bauchfett
Diese Ergebnisse wurden auch in einer gemeinsame Untersuchung von DZD-Forschenden und Kollegen des US-amerikanischen Diabetes Prevention Program (DPP) bestätigt. Analysiert wurden die Daten von 480 Teilnehmenden des DPP, die durch eine einjährige Lebensstilintervention mindestens 7 % ihres Körpergewichts verloren hatten. Bei 114 von ihnen gingen die Blutzuckerwerte während der Intervention in den Normbereich zurück – die Kriterien für Prädiabetes waren nicht mehr erfüllt. In dieser Gruppe sanken Nüchternblutzucker, Glukosetoleranz und HbA1c-Werte deutlich. Zwei Jahre nach Ende der Lebensstilintervention war ihr Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, immer noch um 73 % reduziert. Zudem besserten sich Marker für Nierenschäden und die Gefäßgesundheit. Die Mehrheit (366 Personen) hatte dagegen trotz Gewichtsverlust keinen normwertigen Glukosestoffwechsel erreicht [6].
Entscheidend für die Remission waren vor allem der Abbau von viszeralem Bauchfett und die Verbesserung der Insulinsensitivität. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, die Intervention sei eine Möglichkeit, um die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse langfristig vor Schädigung zu schützen – also genau in dem Zeitfenster, in dem Prädiabetes noch rückgängig gemacht werden kann.
Im weiteren Verlauf zeigte sich ein deutlicher Unterschied: In der Gruppe mit zusätzlicher Remission des Prädiabetes kam es in den ersten knapp vier Jahren nach der Intervention zu keinem einzigen Fall von Typ-2-Diabetes. Dagegen erkrankten in der Gruppe mit lediglich erfolgter Gewichtsreduktion bereits mehrere Teilnehmende. Insgesamt ergab sich durch die Kombination aus Gewichtsabnahme und Remission des Prädiabetes eine relative Risikoreduktion von 76 % gegenüber der Vergleichsgruppe ohne Normalisierung der Blutzuckerwerte. Die absolute Risikoreduktion lag bei mehr als 10 %. Eine neue Studie zeigt sogar: Die Remission von Prädiabetes ist auch ohne Gewichtsverlust möglich. Entscheidend sind eine verbesserte Insulinwirkung und eine gesunde Fettverteilung.
Prävention von Prädiabetes – ein neuer Weg?
Die International Diabetes Federation (IDF) erwartet, dass bis zum Jahr 2045 weltweit mehr als 730 Millionen Menschen Prädiabetes haben werden. Und damit wird auch die Prävalenz des Typ-2-Diabetes weiter ansteigen. Jetzt lautet die Herausforderung, wissenschaftlich fundierte Präventionsansätze in die Versorgungspraxis zu integrieren. Wie kann das gelingen? Mit der Copenhagen Declaration hat das Global Diabetes Forum ein neues, ambitioniertes Konzept vorgestellt, das insbesondere die gezielte Prävention von Prädiabetes ins Zentrum rückt [8].
Mehr als 50 internationale Expertinnen und Experten betonen darin, dass Prädiabetes nicht mehr als homogenes Krankheitsstadium betrachtet werden sollte. Stattdessen plädieren sie für eine differenzierte Erfassung individueller Risikoprofile, die genetische Prädispositionen, epigenetische Faktoren, Lebensstil und Umweltbedingungen systematisch einbezieht. Diese präzise Phänotypisierung gilt als Grundlage für personalisierte Präventionsstrategien, mit denen sich die Progression zum manifesten Diabetes deutlich effektiver aufhalten lässt.
Einen besonderen Stellenwert nehmen Remissionsstrategien ein, die bereits in frühen Stadien ansetzen. Für Patientinnen und Patienten ist dabei wichtig, nicht nur kurzfristig normoglykämische Werte zu erreichen, sondern das metabolische Risiko nachhaltig zu reduzieren. Hierbei spielen Lebensstilinterventionen – insbesondere Gewichtsmanagement und körperliche Aktivität – eine zentrale Rolle. Gleichzeitig sollen innovative pharmakologische Ansätze auf ihre Langzeitwirksamkeit evaluiert werden.
Die Copenhagen Declaration versteht sich als Appell an Entscheidungsträger, wissenschaftliche Institutionen und Gesundheitssysteme weltweit, Prävention konsequent zu priorisieren und durch gezielte Investitionen sowie internationale Kooperation voranzutreiben. Evidenzbasierte Programme und angepasste Versorgungsmodelle könnten entscheidend dazu beitragen, Millionen Erkrankungsfälle zu verhindern und die Prognose von Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko nachhaltig zu verbessern.
- Prädiabetes-Remission: neue Strategien
- Adipositas und Typ-2-Diabetes: Prävention im Fokus
- Einflussreich: mütterlicher Schutzfaktor
- Diabetes und Schwangerschaft: neuer Podcast
|
|
Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (4) Seite 10-13
